Meine Austauschmonate in Frankreich

Am 03. August 2020 startete mein Austausch mit einer französischen Schülerin, die für zwei Monate zu uns nach Berlin kam. Meine Eltern und ich waren sehr aufgeregt und hatten schon in der Woche zuvor angefangen, kleinere Sachen in unserer Wohnung zu verändern, damit das Leben zu viert gut funktionierte.
Als meine Austauschpartnerin am Abend mit ihren Eltern und ihrer großen Schwester bei uns zu Hause ankamen, war ich richtig glücklich, habe aber sofort gemerkt, dass mein Französisch noch nicht wirklich für eine richtige Konversation ausreichte. Wir haben in der ersten Woche in der Familie viel Englisch gesprochen.
Nach der letzten Ferienwoche fing dann für uns beide der „Ernst des Lebens“ wieder an und wir sind zusammen zur Schule gefahren. Es war eine aufregende Zeit, auch für mich, da man jemanden Fremdes seine Schule und die Menschen dort nochmal komplett neu vorstellen musste, ich meiner Austauschpartnerin aber auch den Raum geben wollte, selbstständig zu handeln und selbst neue Menschen kennen zu lernen.
Als es dann soweit war und ich ans Koffer packen denken musste, fing ich langsam an, mir wirklich Gedanken über die Familie, die Schule und die Menschen in dem neuen Land zu machen.

Am 03. Oktober sind mein Vater, Anaïs und ich mit dem Auto nach Frankreich gestartet. Am ersten Tag haben wir eine Pause im Schwarzwald nahe der französischen Grenze gemacht und sind am nächsten Tag bis in die Bretagne weitergefahren. Als wir dann angekommen waren, war ich unglaublich aufgeregt und konnte es kaum fassen, dass wir jetzt in Frankreich waren und ich auch länger als eine Woche bleiben würde!

Ich habe bei einer sehr netten Austauschfamilie in der Bretagne, in einer kleinen Stadt, gewohnt und bin mit AnaÏs auf eine private Schule in die neunte (3ème B) Klasse gegangen. In den ersten Tagen in Frankreich bin ich zunächst viel mit der Familie zusammen gewesen und bin mit Anaïs in die Schule mitgegangen. Ich habe beobachtet, wie der Rhythmus ist und wie alles so funktioniert. Die erste Sache, die mir sofort aufgefallen ist, war der französische Alltag, der so ganz anders ist als der, den ich gewohnt war, da in Frankreich alles ein bisschen spontaner und gemütlicher abläuft, was ich sehr schön fand. Einmal wollten Nathalie (meine Austauschmutter) und ich eine Tür streichen und dann klingelte ein Freund und danach kam noch eine Freundin auf einen Kaffee vorbei und erst am Abend hat Nathalie dann anfangen können die Tür zu streichen. Ich habe gelernt, dass die Franzosen immer Zeit für einen Freund haben, der ein offenes Ohr braucht und eine gute Tasse Kaffee ;) Ich fand das sehr schön!
Was mir in der Zeit in Frankreich auch aufgefallen ist, war, dass in Frankreich alle Menschen sehr solidarisch sind. In der Zeit, in der ich in Frankreich war, gab es leider sehr viele Attentate, unter anderem wurde auch ein Lehrer aus einer Schule in Paris getötet und alle Schüler in Frankreich haben dann am Montag nach den Herbstferien eine Andacht für den Lehrer gehalten. Die Andacht, die wir besuchten, war sehr würdevoll und alle Schüler haben das sehr ernst genommen. Ich war mir nicht sicher, ob es bei uns auch so lang so diszipliniert, ruhig und ohne Kichern geblieben wäre.
In der Schulwoche konnten wir eine Stunde länger schlafen, als ich es zu Hause in Berlin kann. Die Stunden in der Schule waren kürzer, was sehr gut war, da meine Aufmerksamkeitsspanne perfekt in die 45-minütigen Unterrichtsstunden gepasst hat. Zum Mittagessen sind wir fast immer nach Hause gegangen, was definitiv seine Vorteile hatte!
In der Schule ist mir aufgefallen, dass von den Schülern eine sehr hohe Disziplin erwartet wird und die Schüler den Lehrern gegenüber auch sehr viel Respekt zeigen. So stehen beispielsweise alle auf, wenn der Lehrer in den Raum kommt und man setzt sich hin, wenn der Lehrer sagt, dass man es darf. Das war für mich eine komplett neue Erfahrung, an die ich mich ein bisschen gewöhnen musste, da es bei uns ja ein bisschen anders ist…
Ich war in einer sehr sportlichen Klasse. Wir hatten dreimal pro Woche bei Wind und Wetter draußen Sport. Das habe ich am Anfang nicht so gemocht, aber mit der Zeit hatte ich mich daran gewöhnt und irgendwann sogar ein bisschen Gefallen daran gefunden. Im Unterricht habe ich am meisten in den Fächern Englisch, Mathematik und Biologie mitarbeiten können, mit jeder Woche habe ich mehr verstanden und am Ende konnte ich sogar einen kleinen Test
verstehen und richtig mitschreiben.
Es gab zwei Lehrer, die mir sehr viel geholfen haben und auch viel Geduld mit mir hatten, ehe ich etwas verstanden habe: das waren einmal die Mathelehrerin Madame Grasbourn und der Französisch- und Klassenlehrer Monsieur Halbert. Sie haben mir viel erklärt und auch nie aufgegeben bis ich es verstanden hatte, das war sehr, sehr nett! Die Deutschlehrerin von Anaïs, Madame Ruanlt war in Frankreich meine Tutorin und somit für mich die erste Ansprechpartnerin. Mit ihr konnte ich mich zu allen Fragen in meiner Muttersprache austauschen und sie hat meine Interessen gegenüber der Schule vertreten und mir die schulischen Abläufe erklärt.
Generell kann ich sagen, dass alle Menschen, die ich kennenglernt habe, nett und offen für mich waren und sich Mühe gegeben haben, mich zu verstehen. Meine Erfahrung bei vielen Menschen, die ich in Frankreich kennengelernte, war, dass sie nicht so schnell sauer oder eingeschnappt waren wie viele bei uns, sie waren nicht nachtragend und konnten sehr schnell wieder verzeihen, was ich als freundliche und entspannte Atmosphäre empfunden habe.
Ich muss sagen, dass das Essen in Frankreich unglaublich lecker ist. Als ich das erste Mal in einer richtigen Boulangerie war, war ich total überwältigt von den vielen Crossiants, Törtchen, Macarons und dem Kuchen. Das Baguette kann man auch nicht mit dem Baguette hier in Berlin vergleichen, weil das französische natürlich 1000x besser ist :)
Ich konnte aber in Frankreich auch kein Schwarzbrot und keine Brötchen finden, wie wir es hier kennen. An den französischen Essensrhythmus musste ich mich erst gewöhnen, da zu jeder Mahlzeit sehr viel gegessen wird, aber es keine kleinen Zwischenmahlzeiten wie „Kaffee und Kuchen“ gab. Es wird zum Mittag und Abendbrot meistens warm gegessen und es gibt auch immer Baguette für zwischendurch. Ein Abendessen mit Freunden oder mit der ganzen Familie kann dann schon mal sehr lang werden, dass längste Abendessen, das ich erlebt habe, dauerte 3 Stunden!!!
Als erstes gibt es den Aperitif zur Begrüßung, danach kommt der Aperol, dazu gibt es Chips, Erdnüsse und aufgeschnittenes Gemüse oder Knoblauchbrot, das wirklich lecker ist! Dann gibt es das Entrée, das wird am Esstisch zu sich genommen und besteht aus einem leichten Salat und Baguette, als nächstes wird meistens im Winter noch eine Suppe serviert und erst danach gibt es die Hauptspeise! Als ich das erste Mal mit der kompletten Familie zu
Abend gegessen habe, war ich nicht auf so viele Gänge vorbereitet und dezent überfordert ;) Nach der Hauptspeise gibt es die Käserunde mit Baguette und als letztes gibt es das Dessert, was für mich immer ein Höhepunkt war, weil die französischen Desserts einfach mit das leckerste waren, was ich bis dato gegessen hatte. :)
In Frankreich wird auch später gegessen als bei uns, da die Menschen am Nachmittag, bis in den frühen Abend noch sehr produktiv sind und auch lang und viel arbeiten. Dazu kommt, dass es in Frankreich normal ist, bis 17 Uhr Unterricht zu haben und erst spät nach Hause zu kommen.
Am Ende der Zeit bin ich unglaublich froh, dass ich diesen Austausch gemacht habe und muss sagen, dass man in keinem Land die Sprache besser lernen kann, als in dem Land, in dem sie gesprochen wird. Außerdem habe ich gelernt, wie wichtig es ist, nicht nur die Sprache zu lernen, sondern auch die Kultur kennen zu lernen!
Ich habe mich in Frankreich verliebt und möchte später unbedingt dahin zurückkehren! Zum Schluss möchte ich mich nochmal bei meiner Austauschfamilie bedanken, die mich in meiner Zeit super begleitet und mich immer unterstützt hat.
Dann bei der Austauschklasse, der 3ème B, die mich aufgenommen hat und mich super gut in den Schulalltag in Frankreich integriert und mir meine Tage auf jeden Fall schöner und lustiger gemacht hat. 
Ganz zum Schluss möchte ich mich auch mit einem riesen Dankeschön bei meiner Tutorin Frau Manlius-Scholz bedanken, die den ganzen Austausch mit uns geplant hat und uns auch super unterstützt hat in der Vorbereitung und auch während meiner Zeit in Frankreich!

Marlene Jürgens Berlin, 26. Januar 2021